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N° 1355
27.04. - 06.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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where are we

Joshua Redman

Blue Note/Universal 5525300
(60 Min., k.A.)

Joshua Redmans Debüt bei neuem Label beinhaltet mehrere Premieren für den Saxofonisten: So ist es die erste Einspielung, bei der Redman konsequent mit Gesang arbeitet – die Vokalistin Gabrielle Cavassa, eine in Kalifornien geborene Italienerin, gehört neben Pianist Aaron Parks, Bassist Joe Sanders und Drummer Brian Blade zur Stammbesetzung von „where are we“. Als weiteres Novum in Redmans Diskografie handelt es sich bei der Aufnahme um ein klar identifizierbares Konzeptalbum.
So hat bis auf eine Ausnahme jedes der Stücke eine US-amerikanische Stadt oder Region im Titel. Das kann mal ein Jazzstandard wie „Do You Know What It Means To Miss New Orleans?“, eine bekannte Poprocknummer (Bruce Springsteens „Streets Of Philadelphia“) oder eine Eigenkomposition wie der Album-Auftakt „After Minneapolis (Face Toward Mo[u]rning)“ sein. Letzterer macht schon mit seinem Intro, in dem Redman alleine auf seinem Tenorsaxofon in Woody Guthries „This Land Is Your Land“ unvermittelt in einen langgezogenen Schmerzensschrei ausbricht, etwas schmerzhaft deutlich: Dies ist keine liebliche Ansammlung von sonischen Städteporträts, sondern vielmehr eine Erkundung der seelischen Geografie der USA vor der Schicksalswahl im November 2024.
Gewiss erinnern Redman und seine Band, die zusätzliche Unterstützung durch die Gitarristen Kurt Rosenwinkel und Peter Bernstein, Trompeter Nicholas Payton und Vibrafonist Joel Ross erfährt, immer wieder auch an die positiven und unbeschwerten Seiten der Vereinigten Staaten. Doch leicht angeraute nostalgische Swing-Angelegenheiten wie „Manhattan“ oder „I Left My Heart In San Francisco“ stehen markant die Schreckensorte und Toten der jüngeren und weiter entfernten Vergangenheit gegenüber: Minneapolis und George Floyd. Baltimore und Freddie Gray. Nicht zu vergessen die Mordopfer des rassistisch motivierten Bombenattentats auf die 16th Street Baptist Church in Birmingham, Alabama, im Jahr 1963.
Es ist ziemlich genial, wie Redman den blauäugigen Standard „Stars Fell On Alabama“, den er gemeinsam mit Cavassa als punktgenaues Sax-Gesangs-Duett interpretiert, in John Coltranes erschütternde instrumentale Anklage „Alabama“ übergehen lässt. Dass es sich bei dem Albumabschluss „Where Are You“ um ein Trennungslied handelt, dürfte kein Zufall sein: Mit jedem Ton besingt Joshua Redman auf der Aufnahme seine komplizierte Liebesgeschichte mit den USA.

Josef Engels, 23.09.2023


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