Neapel, diese jahrtausendealte Perle unweit des Vesuvs, war schon immer eine Reise wert. Auch für die Bildungshungrigen, die vor allem die antiken Gründungsstätten der abendländischen Menschheitsgeschichte begutachteten. Geheimrat Goethe hatte hingegen noch ein anderes Erlebnis, bei dem er wohl aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen ist – als er nämlich in einer der Gassen junge Mädchen dabei erlebte, wie sie zu den Klängen von Kastagnetten und Tamburins eine wilde „Tarantella“ aufs steinige Parkett legten.
Dieser mystische Tanz darf daher nun auch beim musikalischen Städteporträt „Napoli!“ nicht fehlen, zu dem die Cellistin Ophélie Gaillard zusammen mit dem Pulcinella Orchestra sowie drei Gesangsgästen aufgebrochen ist. Und entsprechend laufen die Kastagnetten heiß, in der mit „La vallubrella“ betitelten Tarantella. Auf stolze zwei CDs hat Gaillard ihre musikalischen, zum Teil weltersteingespielten Fundstücke verteilt, die aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert stammen. Und allesamt sind sie Zeugnisse einer florierenden Musikmetropole, in der Volks- und Kunstmusik oftmals seelenverwandt waren. Das Panorama von „Napoli!“ reicht denn auch von Cellowerken etwa von so damals namhaften Komponisten wie Leonardo Leo und Francesco Alborea über Violinkunststücke des späteren Wahl-Engländers Nicola Matteis bis hin zu Arien des legendären Kastratenschmieds Nicola Porpora. Zusammen mit Sandrine Piau (Sopran), Marina Viotti (Mezzosopran) und Countertenor Luan Góes sowie ihrem Originalklang-Pulcinella-Orchestra ist Ophélie Gaillard so eine enorm facettenreiche, rhythmisch effektvolle wie arios wertvolle Huldigung an Neapel gelungen.

Guido Fischer, 07.10.2023

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