Wie schnell ist man von lyrischen Sopranistinnen gelangweilt, wenn sie auf Alben Mozart oder Strauss singen? Anämische Timbres lassen diese Musik schnell fad werden, körperlose Piepstöne machen sie nicht besser. Umso mehr muss man es zu schätzen wissen, wie die Französin Sabine Devieilhe auf ihrem jüngsten Album, das zudem Mozart und Strauss reizvoll mischt, diese gefährlichen Klippen alle souverän umschifft.
Aber mehr noch: Nicht nur ist ihre Aussprache makellos, aber dennoch locker. Sie fesselt vom ersten Ton an, die Stimme ist kristallin, aber individuell; hell timbriert, aber trotzdem warm – sie ist farbenschattiert, zu vielfältigen Ausdrucknuancen fähig, offenbart Witz, Charme, Intelligenz, Textdurchdringung, erzählerisches Vergnügen. Acht zu sechzehn ist das Verhältnis Mozart und Strauss, doch die älteren Stücke mischen sich harmonisch in die Retro-Klangwelt des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Begleitet wird Devieilhe von dem schmiegsamen Pianist Mathieu Pordoy. Mühelos kann diese Sopranistin von verschmitzt („Das Veilchen“) zu elegischen Tönen („Abendempfindung“) switchen, deutlich, aber zartfühlend tastet sie die Mozart-Stimmungen aus, während sie sich für Strauss den großen Legatobogen vorbehält, aber mustergültig auf dem Atem singt. Dessen scheinbar so harmonische Stimmungen bringt Sabine Devieilhe ins Flirren („Waldseligkeit“), Sinnieren („Die Nacht“), Jubeln („Meinem Kinde“). In der Sammlung „Mädchenblumen“ entfaltet sich ein ganzer Vokalblütenstrauß, spürbar erotisch tönt „Ständchen“ (wie auch Mozarts „An Chloe“). Und für „Morgen!“ lässt dann auch noch Vilde Frang ihre Geige ebenmäßig ertönen, während Sohnemännchen Lucien am Ende von „Kinderspiel“ seinen „Lalala“-Auftritt hat. Ein ungetrübtes Stimmvergnügen.

Manuel Brug, 30.03.2024

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