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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Eugène Ysaÿe

Violinsonaten op. 27

Fanny Clamagirand

Nascor/harmonia mundi YRNS 03
(64 Min., 12/2006, 1/2007) 1 CD

Komponierende Geiger wie einst Spohr, Paganini oder Joachim hat das 20. Jahrhundert nur noch selten erlebt, und die wenigen, die doch komponierten wie etwa Fritz Kreisler, haben sich meist mit Salonstückchen und Stilkopien begnügt. Der Belgier Eugène Ysaÿe (1848-1931) ist eine seltene Ausnahme von der Regel: Nicht nur verrät sein vor allem in der zweiten Lebenshälfte entstandenes Werk erhebliche künstlerische Ambitionen, es verrät in einigen Fällen – wie den 1923 entstandenen sechs Sonaten für Solovioline op. 27 – auch den Willen, sich als Teil der kompositorischen Gegenwart zu behaupten. Wer nun Fanny Clamagirand durch den gesamten Zyklus folgt, wird das also nicht unter rein sportlichen Gesichtpunkten tun müssen. Zwar sind die verteufelt schwierigen Sonaten ein bewährter Gradmesser für erworbenes oder nicht erworbenes technisches Rüstzeug, aber sie sind in ihrem formalen Einfallsreichtum, in der originellen Verschränkung von Postromantik und Neobarock und in der Nutzung neuer Klangmöglichkeiten auch ein beachtenswertes kompositorisches Dokument in der geschichtlichen Lücke zwischen den Solowerken von Reger, Hindemith und Bartók. Die 23-jährige Französin Clamagirand nimmt die Hürden, die sich hier dem Interpreten allenthalben in den Weg stellen, mit Bravour ohne irgendwo auch nur leicht anzuecken. Die große physische Energie, die sie allenthalben hörbar investiert, geht nicht zulasten von Details – auch knifflige Doppelgriffpassagen sind transparent, polyfone Linienführungen nachvollziehbar, nichts wirkt gehetzt oder beiläufig. Der freie musikalische Fluss gilt Clamagirand dabei weit mehr als der strikte Rhythmus der Papierform. Das genaue Maß der Dinge geht dadurch etwas verloren, der Gewinn ist ein schönes Gefühl von Spontaneität und Improvisation. Man kann diese Werke gewiss ganz anders, sachlicher, geradliniger und in allem eine Spur zurückhaltender spielen – so aber eben auch.

Raoul Mörchen, 01.12.2007


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