DG/Universal 477 5378
(70 Min., 6/2004) 1 CD
Es muss ja nicht immer der von Oktaven aufgewirbelte Virtuosen-Schaum sein, wenn Tschaikowskis Name im Zusammenhang mit dem Klavierspiel fällt. Reizvoll und von der Substanz her durchaus reichhaltig hat Tschaikowski schließlich gleichermaßen für Klavier solo komponiert. Zu seinen populärsten Werkzyklen gehört zweifelsohne das Opus 72, das im Todesjahr Tschaikowskis entstand. Gleich 18 Stücke umfasst das Heft, die allesamt für das 19. Jahrhundert typische Charakterstücke mit einem Schuss Nostalgie sind. "Un poco di Schumann" oder "Un poco di Chopin" heißen da so manche Sätzchen, während andere mit "Impromptu", "Berceuse" oder "Mazurque pour danser" überschrieben sind. Da die Stücke weder übermäßig gedankenvoll noch gedankenverloren sein wollen, glauben hingegen Pianisten immer wieder, sie schnell mit Salon-Parfüm einnebeln zu müssen. Bei Mikhail Pletnev duftet es zwar auch. So leicht und elegant Pletnev die Atmosphäre einfängt, so ungetrübt ist sein Blick dann doch für die von ihm gesuchten und gefundenen Gestaltungsmöglichkeiten.
Wie schon bei den Miniaturen von Beethoven und Grieg ist man bei Mikhail Pletnevs Live-Aufnahme mitten im Geschehen, darf allein die "Polacca de concert" sich von der kraftvollen und brillanten Seite zeigen. Bis hinein ins spektakuläre Finale, bei dem es mit Donnerschlägen, aber nicht ordinär robust die Tastatur rauf und runter geht. Pletnevs Stärken, seine Konzentration auf Transparenz und nuancenreiche Artikulation lassen ihn hier genauso wenig im Stich, wie er in dem kecken "Fünckchenwalzer" die genaue Mischung aus lyrischer Intimität und kühner Sportlichkeit im Griff hat. Dabei kann sich Pletnev auf eine pianistische Makellosigkeit und Modernität verlassen, die bei ihm so selbstverständlich ist, dass dies eigentlich nicht ausdrücklich erwähnt werden müsste.
Guido Fischer, 04.06.2005
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