Leonard Bernsteins Fernsehsendung zum Thema “Was ist Jazz?” von 1955 ist legendär. Mit einigen leichtverständlichen Worten, Musikbeispielen von Platten und illustren Gästen baute Bernstein in einer dreiviertel Stunde vielen Amerikanern die erste Brücke zum damals noch lange nicht allgemein anerkannten Jazz. Selbst heute noch wäre der Vortrag, trotz kleiner Schwächen, kein schlechter Einstieg für Anfänger.
Bernstein erläutert, auf Basis von Bessie Smiths “Empty Bed Blues” und verschiedenen Fassungen von “Sweet Sue” Blue notes, das Blues-und Song-Schema, Elemente der Jazz-Rhythmik, Tonbildung und Improvisation und schlägt den Bogen von den Anfängen bis zum Cool Jazz. Kurios sind die Versuche, den Jazz hoffähig zu machen: Mit Mozart wird das Variationsprinzip erläutert, und Shakespeare-Verse werden als Blues vertont. Bernstein selbst versucht sich sogar als Sänger eines afrikanischen Liedes, um von der temperierten Stimmung abweichende Vierteltöne vorzuführen.
Zwei Aufnahmen ergänzen die Dokumentation. Der von Alfredo Antonini als vorgebliches “Concerto grosso” arrangierte “St. Louis Blues” zeigt die Louis Armstrong All Stars des Jahres 1956, die ohne sinfonische Unterstützung keine schlechtere Figur gemacht hätten. Der ehrgeizigere “Dialogue For Jazz Combo And Orchestra” von Dave Brubecks Bruder Howard ist ein typisches Third-Stream-Werk, das dem Brubeck-Quartett von anno 60 (unterstützt von den New Yorker Philharmonikern unter Bernstein) genügend Platz zur Improvisation lässt. Den Höhepunkt bilden hier die Chorusse des Altisten Paul Desmond, der im Beiheft ebensowenig genannt wird wie die übrigen Mitglieder so legendärer Jazzformationen wie dem Brubeck-Quartett oder dem Miles-Davis-Quintett (Coltrane!). Dass hier so geschlampt wurde, zeigt, dass Jazz-Genies - trotz Bernsteins Einsatz - heute nicht mal der Erwähnung wert sind.
Marcus A. Woelfle, 31.05.1998
Diese CD können Sie kaufen bei:
Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen
Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.
Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Die Klavierkonzerte Nr. 11, 12 und 13 waren Mozarts erste Konzerte, die er nach seinem Umzug von Salzburg nach Wien komponierte. In einem Brief an seinen Vater Leopold beschrieb er sie als „ein glückliches Mittel zwischen zu leicht und zu schwer; sehr brillant, angenehm für das Ohr und natürlich, ohne fade zu sein“. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Mozart bereits von seinem dominanten Vater emanzipiert. Sein Ziel war es, mit diesen Stücken das Wiener Publikum zu erobern. Tatsächlich […] mehr