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N° 1355
27.04. - 07.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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Erkki-Sven Tüür

Architectonics

Absolute Ensemble, Kristjan Järvi

CCn’C Records/In-Akustik 01812
(70 Min.) 1 CD

Die Järvis sind die estnische Musikmafia für ganz Skandinavien: So konstatierte es im Interview, lachend, der Dirigent Paavo Järvi. Er könne spielend ein komplettes Sinfonieorchester nur mit Järvis besetzen - und das dann Estnisches Nationalorchester nennen.
Ein Este, der nicht Järvi heißt und trotzdem Musik macht, ist Erkki-Sven Tüür. Er allerdings fungiert als eine Art "consigliere", als Ratgeber der Dons, in diesem Fall ihr Hauskomponist. Als ich Paavo Järvi in Stockholm interviewte, war Tüür wie selbstverständlich dabei, ein bisschen auch: Hofnarr.
Jetzt hat ein weiteres Mitglied der weitverzweigten Järvi-Familie, der Wahl-New-Yorker Kristjan, Tüürs großes Bekenntnisstück "Architectonics" eingespielt, mit seinem eigenen - vorzüglichen - Ensemble: Im Rausch von Kammermusik, Rock, schwerem Synthi-Geschütz und einerseits minimalistischen Einsprengseln, andererseits großsinfonischen Gebärden ein Unterfangen wie das von Buzz Lightyear: "Bis in die Unendlichkeit - und noch viel weiter!"
Tüür-der-Hofnarr ist ein spilleriger, beim Sprechen mit ständigem Überdruck kämpfender (und daher schwer verständlicher) Intellektueller, und tatsächlich sickert das auch in eine Komposition wie "Architectonics". Man wartet auf den einen zündenden Gedanken, vergisst dann aber im Trommelfeuer von Gedankensplittern, dass der gar nicht auftritt - auch gar nicht auftreten muss, die Collage ist hier das Bild, der Weg das Ziel. Witzige Zitate aus Barock, Rokoko und so ziemlich allem anderen bis zum Rock’n’Roll (Ausnahme: Richard Wagner) halten das Interesse wach und die Hörerwartung immer ein bisschen in Schieflage - nie kommt’s so ganz, wie man’s voraussah, und das ist gut so.
Im Grunde könnte man diese Musik als Kulissenschieberei auf höchstem Niveau bezeichnen, bei der man vor lauter Bäumen den Wald nicht vermisst. Ungefähr so wie Erkki-Sven Tüürs Selbstauskunft im Beiheft, wo er sein künstlerisches Credo als wortreich verpackte Nullnummer präsentiert. Wir leben in einer Zeit der Spieler - alles geht noch!

Thomas Rübenacker, 01.09.2007


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