home

N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



In unserer Zeit, das lässt sich nicht leugnen, dominieren visuelle Eindrücke. Dass sich auch die Vermarktungsstrategien der Musikbranche darauf einstellen, scheint zunächst widersinnig zu sein, geht es hier doch um zu Hörendes. Aber ein Produkt wie das vorliegende, das Debütrezital der lettischen Mezzosopranistin Elīna Garanča, zeigt, dass diese Quadratur des Kreises durchaus möglich ist. Der Rezensent hält ein reich bebildertes Hochglanzheft im DIN-A4-Format mit Informationen über die Künstlerin in der Hand, das eindrucksvoll den Werbeaufwand belegt, den das Label für seinen neuen Star betreibt. Er bewundert die erstklassigen Fotografien darin und hört gleichzeitig die erste Nummer der beiliegenden CD, "Al pensar en el dueño de mis amores" von Ruperto Chapí – ein Reißer gleich am Beginn des Programms. Der Rezensent hört, nüchtern gesagt, in diesem übrigens wenig interessanten Stück eine nicht übermäßig charakteristische Stimme und eine Reihe von zu tiefen Spitzentönen. Ein erster Eindruck, der sich im Verlauf der CD noch weiter ausdifferenziert, aber nicht unbedingt grundlegend verbessert: In "Nacqui all’affanno e al pianto" aus Rossinis "Cenerentola" tritt zwar eine bemerkenswert gute Koloraturtechnik zu Tage, gleichzeitig gibt es aber auch wieder (am Anfang) unsaubere Töne, und insgesamt verwundert auch hier das recht monochrome Timbre. Letzteres irritiert auch in Villa-Lobos’ "Bachiana Brasileira Nr. 5", vor allem in den Rahmenteilen, die als Vokalise auszuführen sind und somit allein durchs Timbre, nicht durch die Deklamation eines Textes ihre Wirkung zu entfalten haben: Garanča klingt hier ganz angenehm, aber blass und etwas matt. Wenig prägnant und dazu sprachlich bis zur Unverständlichkeit verzerrt auch die beiden "Rosenkavalier"-Ausschnitte am Schluss des Programms. Und nun? Elīna Garanča ist ohne Zweifel eine exzeptionell begabte Sängerin, die zudem auf der Bühne eine gute Figur abgibt und dadurch stimmliche Schwächen zu kompensieren vermag (die Dominanz des Visuellen). Aber sie ist hinsichtlich ihrer rein stimmlichen Reife noch kein Star. Die Promotionstrategen sorgen allerdings dafür, dass sie als solcher gehandelt wird. Für Elīna Garančas künstlerische Weiterentwicklung ist das eine große Gefahr.

Michael Wersin, 01.09.2007


Diese CD können Sie kaufen bei:

Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen



Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Das Klavierquartett c-Moll des 19jährigen Strauss war ein Geniestreich, der sofort als solcher erkannt wurde. Es erhielt 1885 den 1. Preis im Kompositionswettbewerb des Berliner Tonkünstlervereins und wurde Ende des Jahres in Meiningen unter den Auspizien von Brahms und Bülow uraufgeführt. Komponiert 1883/84, zwischen der 1. Sinfonie und der Burleske für Klavier und Orchester, gilt es als Höhepunkt der Auseinandersetzung mit Brahms und den Formen der klassisch-romantischen […] mehr


Abo

Top