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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Erik Satie

Klavierwerke

France Clidat

UCD 16591929 3
(1983) 3 CDs, Komponiert: zwischen 1882-1916; AAD

Scharlatan, Verrückter, Genie, Revolutionär? Eines war Satie auf jeden Fall: ein Exzentriker, wie ihn die moderne Musikgeschichte kein zweites Mal hervorgebracht hat. Dabei wollte der mit Debussy befreundete Autodidakt diese Musikgeschichte mit ihren vierhundert Jahren Ge- und Verboten der Stimmführung und Formgesetzen zum Teufel schicken. Er hasste alles romantisch-chromatische Gefühlsduseln seiner Kollegen, griff statt dessen auf mittelalterliche, kirchentonale Elemente zurück und schrieb (nach den halbwegs "melodiösen" Anfangsjahren) tausendfach nur noch entwicklungslos-statische Akkorde in vollkommener rhythmischer Gleichmäßigkeit.
Oft komponierte er bewusst "falsch", sehr gerne mit "quälenden" Tritoni (namentlich die "Vexations" als sarkastisches Pendant zu Schumanns "Träumereien", deren Uraufführung aus einer 840fachen, neunzehnstündigen Wiederholung bestand). Vor allem verabscheute Satie alle intellektuell-bedeutungsschweren Ergüsse. So wählte er oft absurde Titel, die nichts mit seiner Musik zu tun haben oder ironisch in die Irre führen ("vertrocknete Embryonen", "Drei ausgezeichnete Walzer von köstlicher Geschmacklosigkeit", "Stücke in Birnenform"). Er erfand die Klangtapete, die "musique d'ameublement", die bei uns heute zur Seuche geworden ist, die seinerzeit aber nicht "gelang": Satie bat einmal die Gäste seines Salons, die ihre Unterhaltung unterbrachen, um seinem Klavierspiel zu lauschen, sie möchten doch bitte weiter Konversation pflegen - vergeblich!
Dabei entfalten viele von Saties ein- bis fünfminütigen "Werken" einen eigentümlichen Reiz - gemäß ihrem Motto: "Langeweile ist tief und geheimnisvoll". Vieles hat einen melancholischen, mystifizierenden, mittelalterlich-sakralen Anstrich, etwa die "Ogives" (Spitzbögen); vieles einen skurrilen, witzigen (so die Clementi-Verhöhnung "Sonatine bureaucratique"); manches ist wunderschön - neben den sphärisch-schwebenden "Gymnopédies" und "Gnossiennes" besonders der Walzer "Je te veux").
France Clidat trifft in ihrer chronologisch angeordneten (Fast-)Gesamteinspielung den "rechten", das heißt leichthändigen, filigranen, quasi mit sich selbst spielenden Ton Saties. Aber vor zu viel Interpretationsvergleich schütze mich das ironische Lächeln des Meisters.

Christoph Braun, 01.09.2007


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