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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Franz Schubert

Die schöne Müllerin

Andreas Post, Tatjana Dravenau

Genuin/Codaex GEN 88117
(58 Min., 9/2007) 1 CD

Wie soll man umgehen mit dieser soliden, ehrlichen und offenherzigen, über weite Strecken (abgesehen von nicht wenigen zu tiefen Tönen des Sängers) im Großen und Ganzen tadellosen Darbietung von Schuberts "Müllerin", die in zeitlicher Nachbarschaft zur raffiniert durchgestylten Einspielung des erfahrenen Duo Prégardien/Gees wohl nicht allzu viel Furore machen können wird? Mit seiner hellen, gelegentlich etwas körperlosen Tenorstimme mag Andreas Post sowohl anschmiegsam zu schmeicheln als auch metallisch zuzupacken (allerdings nicht so sehr mit dem hohen A bei "Dein ist mein Herz" in der Nr. 7). Viele der bekannten Gesänge erfahrenen vor dem Hintergrund dieses Spektrums an sängerischen Möglichkeiten eine durchaus abwechslungsreiche Ausführung. Was man allerdings oft vermisst, ist eine fundierte interpretatorische Tiefe, die beim Hörer Momente des Staunens, des Luftanhaltens provoziert: Dafür fehlt es diesem Duo – durchaus auch der Pianistin Tatjana Dravenau, die einige der schönsten Einfälle Schuberts verschenkt – noch an Reife: Kann man etwa einem so erschütternden Lied wie dem vorletzten ("Der Müller und der Bach"), in dem der Müllerbursche, zutiefst enttäuscht und desillusioniert, sein Leben dahinzugeben sich anschickt, mit so jungenhafter Naivität begegnen, wie Post dies versucht – kann man das heute noch, nach nun bald 200 Jahren der Interpretationsgeschichte dieses Zyklus’? Sicher, es ist eine ganz eigene Art von Verletzlichkeit und Verwundbarkeit, die gerade eine solche Herangehensweise evoziert; ein Hauch von Schubertiade durchweht diese Ausführung: Haben nicht Schuberts Freunde in ihrer Begeisterung über die wunderbaren Melodien ihres sonderbaren Kumpanen die volle, existentielle Tiefendimension seiner Lieder oftmals übersehen? Waren sie nicht erstaunt und verwundert über den Ernst, über die Härten und Kargheiten in manchen dieser hochexpressiven Miniaturen? Wir können es nicht ändern: Heute kennen wir eben auch die "Winterreise" schon, wir wissen mehr über die inneren Qualen und Leiden Schuberts als manche seiner Freunde damals, wir vermögen uns hineinzudenken in die abgrundtiefe Verzweiflung Schuberts, verursacht durch innere wie äußere Heimatlosigkeit und Vereinsamung. Und gerade das ist denn doch auch schon das ganz zentrale Thema der "Schönen Müllerin" – und davon müsste man in einer zeitgemäßen Aufnahme noch viel mehr spüren, als es in der vorliegenden des Fall ist.

Michael Wersin, 17.05.2008


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