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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Antonín Dvořák

Sinfonische Variationen, Scherzo capriccioso, Legenden

Tschechische Staatsphilharmonie Brünn, Charles Mackerras

Supraphon 0 99925 35332 2
(77 Min., 2001) 1 CD

Äußerlich mag die Ehe befremden, aber wie sich beide benehmen, lässt auf eine lange, einspielte Vertrautheit schließen: der 1925 als Kind australischer Eltern in Amerika geborene Charles Mackerras ist seit seinem Studium in Prag Experte in Sachen tschechische Musik und als solcher seit Jahren gefeierter Haupt-Gastdirigent der Tschechischen Philharmoniker. Seine Opern-Einspielungen von Janácek sind Marksteine der tschechischen Interpretationsgeschichte, und wer seine bisherigen Smetana- und Dvorák-Exegesen kennt, konnte darauf vertrauen, dass auch die neue Dvorák-Einspielung beredtes Zeugnis ablegen wird von Mackerras' intimer Kennerschaft böhmischer Kunst. In der Tat: sie lässt keine Wünsche offen.
Die gewichtigen Sinfonischen Variationen von 1877 sind eine vergleichsweise sperrige Kost Dvoráks - das bewunderte, vier Jahre zuvor geschaffene Vorbild - Brahms' Haydn-Variationen - ist durchweg präsent, von der unregelmäßigen Taktanordnung des Themas bis zu der starken Charakter-Kontrastierung der Variationen. Nicht erst beim Schlussfugato meint man gar einen Übereifer zu hören - sollte Brahms an intellektuellem Konstruktionseifer noch übertroffen werden? Mackerras jedenfalls spürt akribisch auch die kleinste Nebenlinie der komplexen Partitur auf - so als wollte er dem Klischee vom böhmischen Dorfmusikanten zum letzten Mal den Garaus machen.
Gottlob müssen Intellekt und bodenständiges Nationalkolorit kein Gegensatz sein, wie die beiden anderen Werke dieser CD zeigen. Ähnlich wie bei Kubelik und den benachbarten Bayern ist das "Scherzo capriccioso" hier durchweg als blutvolles, unruhiges, gleichwohl formstrenges sinfonisches Meisterstück zu genießen. Und wie die Prager dessen virtuose Anforderungen meistern - das verrät eine geradezu "blinde" Kennerschaft.
Die zehn Legenden op. 59 bieten eine ruhigere, mitunter introvertierte und (gegenüber den strapazierten Slawischen Tänzen) höchst wohltuende kammermusikalische Kost. Wohltuend vor allem, weil Mackerras vor dem inneren Auge hier manches musikalische Naturidyll hervorzaubert, das sich betörender kaum denken lässt. Und sollte sich jemand fragen, warum Brahms von dem genialen Einfallsreichtum seines böhmischen Freundes schwärmte, dann kann er zum Beispiel in Nr. 8 die Antwort hören.

Christoph Braun, 01.09.2007


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