Neuerscheinungen der Serie »Sounds from a Bygone Age« schenken Freunden historischer Aufnahmen osteuropäischer Folklore stets Entdeckerfreuden. In »Gabi Luncaˇ« (Asphalt Tango Records/Indigo 911482), dem Vol. 5 der Reihe, erleben wir die »Zigeunerkönigin in Seide«, die führende Interpretin der rumänischen Lautari-Musik neben Romica Puceanu (Vol. 2, vgl. RONDO 1/2006). Die Luncaˇ soll dafür bekannt gewesen sein, den Menschen Lasten von der Seele zu singen. Das glaubt man aufs Wort, denn ohne eines zu verstehen, gerät man in den Bann dieser Stimme. Die Luncaˇ singt nicht so dramatisch zugespitzt und berstend wie die Puceanu, sondern schmiegt sich wie ein Balsam, fast körperlich fühlbar, um das Herz – mit einer warmen Stimme, die wohlig weich, ein wenig belegt, wissend, ja sogar witzig klingt. Man hört alle Erfahrungen, aber auch das nie abhanden kommende Lächeln heraus. So muss jemand singen, der Steine zum Erweichen bringt. Es sei ein Segen, wenn man bei dieser Art Musik die Texte nicht verstehe, meint eine rumänische Freundin. Es sei das reinste Gejammer. In Rumänien genieße man es eben, sich zu einem guten Glas hinzusetzen, gemeinsam an alte Zeiten zu denken und aller Art von Gefühlen freien Lauf zu lassen, auch in den melancholischsten, schmerzlichsten Emotionen zu baden. Ein Glück, denn schon im ersten Lied des Albums erlebt man die Erhebung des Menschen durch heitere Ausgelassenheit und überschäumende Lebenslust. Übersetzt heißt der Titel des heiter geträllerten Liedes, dessen Fröhlichkeit ansteckt: »Der gute Mensch hat kein Glück!« Mysterien Rumäniens …
Ähnliche Erfahrungen dürfte man vermutlich mit den Texten eines mitreißenden brasilianischen Albums machen: »Velha Guarda da Portela. The Guardians of Samba: Tudo Azul« (Red Circle Music/Indigo 908072). Die Musik ist unbeschwert heiter wie ein wolkenloser Himmel, wenn die Texte wohl auch auf Erlittenes verweisen. Der Titel »Tudo Azul« (»Alles ist blau«) hat eine doppelte Bedeutung. Zum einen ist blau die Farbe der Portela-Sambaschule, zum anderen ist »tudo azul« eine alte Redewendung, mit der man darauf hinweist, dass trotz aller Widrigkeiten noch alles gut wird. Kein schlechter Titel für ein Sambascheinen bekannter zu sein, allenfalls noch der Karneval, doch der ließe sich ohne Samba kaum denken. Und doch ist die »gute alte« Samba vom Aussterben bedroht, jedenfalls ihre ursprüngliche Gestalt und ein Teil ihres Repertoires. Jedes Jahr treten die Sambaschulen mit neuen Liedern hervor und die alten würden schlicht vergessen, wenn man nicht Musiker der alten Garde, wie hier geschehen, bittet, sich vor dem Aufnahmemikrofon zu erinnern. Die berühmte Marisa Monte hat dies getan, deren Vater einst Direktor dieser Sambaschule war. Die alten Geheimnishüter der Samba Carioca entreißen hier etwa 40 Jahre alte Sambas dem Vergessen und tun dies mit viel Verve und dem zu erwartenden Herzblut.
Traditionshüter sind auch die Ingosi Stars, deren Album »Langoni. Musique Luhya: Du viallage à la ville« (Daquí/harmonia mundi DAQ 332033) uns Musik präsentiert, wie sie im ländlichen Kenia auf Festen, Hochzeiten, Beerdigungen und bei Beschneidungszeremonien erklingt. Mzee William Ingosi Mwoshi hat viele verbreitete Lieder geschrieben, etwa das Eröffnungsstück »Mwana Wa Mbeli«, das als inoffi zielle kenianische Nationalhymne gilt. Das hat ihn in einer über 40-jährigen Laufbahn nicht reich gemacht: Die Stücke sind nicht urheberrechtlich geschützt, und als Musikant wird man dort nicht gerade fürstlich entlohnt, und doch zählen er, sein Sohn Jackson Amasula Ingosi und sein Neffe Josephat Shigali Mwoshi zu den bedeutenden Musikern des Landes. Mzee (zu Deutsch »Alter«, »Weiser«) ist prominent für sein Spiel auf der einsaitigen Fiedel Shiriri, daneben Instrumenten- und Maskenmacher. Ihm kommt das Verdienst zu, die vom Großvater erlernte traditio nelle Musik behutsam erneuert und damit erhalten zu haben, dennoch ist es erst die zweite CD des alternden Meisters. Die Musiker des Bantuvolkes Luhya stammen aus Westkenia, einem Gebiet, aus dem der Regenwald schwindet, wo Dorfgemeinschaften größeren Städten weichen. Auch ihre Lieder, die in einer ländlichen Tradition verankert, zugleich aber der sich wandelnden Gesellschaft angepasst sind, zeugen von einer Kultur im Übergang. Sie erfreuen ländliche und städtische Hörer mit Gesang, Fiedel, westlicher Gitarre, mit der Lyra Litungu und Rhythmusinstrumenten, zu denen auch Hände und Füße gehören sowie mit der Trommel Sukuti. Das Wort ist eine Verballhornung des Englischen »it’s good«. Album. Die Samba ist ja das Kernstück, die Seele der brasilianischen Musik. Nichts Brasilianisches, weder Fußballer noch der Amazonas
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