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Woran erkennt man schlechte Dirigenten? Semyon Bychkovs Antwort: »Die Musiker sitzen mit versteinerten Gesichtern da, und das Orchester spielt schlecht.« In Leningrad, von wo Bychkov 1977 emigrierte, war zu seiner Zeit harte Schule angesagt. Den Studenten wurde aufgetragen, durch bloßen Anblick das Musikstück zu erkennen, das gerade dirigiert wurde. »Wenn wir es nicht errieten«, so Bychkov, »sagte man uns: ›Seht ihr, jetzt ist es schlecht dirigiert.‹« Nachdem Bychkov im Jahr 1997 nach Köln kam, hat das WDR-Sinfonieorchester einen erstaunlichen Aufschwung genommen. Nicht nur die Phase blasser Vorgänger ging zu Ende, auch für Bychkov selbst, der in den 80er Jahren von den Berliner Philharmonikern umworben und bejubelt wurde, war es die erste – und bis heute einzige – glückliche Station. Semyon Bychkov ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie auch schwierige Charaktere eine Liebesehe eingehen können. In Köln, wo Bychkov große Verehrung genießt, polierte er nicht nur das Standardrepertoire kräftig auf. Er lud erstmals Fachleute der Alten Musik als Gäste ein und führte das Orchester auf rastlosen Tourneen mehrfach um die Welt. Auch der Neuen Musik öffnete er sich (besonders Lindberg, Glanert und Dutilleux). Man gewann Flexibilität und Weitblick, die sich in Aufnahmen von Richard Strauss’ »Daphne« (mit Renée Fleming) und – neu – in Schostakowitschs Sinfonie Nr. 10 und Rachmaninows »Glocken« sehr schön zeigen. Bychkov, der »Ernsthaftigkeit « und »Ehrlichkeit des Ausdrucks« über Virtuosität stellt, hat das WDR-Orchester zurück in die erste Reihe gebracht – und so dem Typus des Radio- Sinfonieorchesters insgesamt genützt. Harmoniefähigkeit hat Bychkov, dessen Vertrag noch bis 2010 läuft, auch privat bewiesen. Seit vielen Jahren ist er mit der Pianistin Marielle Labèque verheiratet.
Robert Fraunholzer, RONDO Ausgabe 1 / 2008
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