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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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"Glanz von altem Gold": Die Sächsische Staatskapelle Dresden unter ihrem Ehrendirigent Herbert Blomstedt (c) Matthias Creutziger

Pasticcio

Die DNA der Wunderharfe

Jedes Orchester hat seinen speziellen Fingerabdruck. Die Berliner Staatskapelle hat laut einem Orchestermitglied einen „sehr intensiven, niemals faden“ Klang, den man im Radio sofort heraushören könnte. Als „rund und weich“, aber auch als „durchsichtig“ hat hingegen ein Musiker den Sound des Leipziger Gewandhausorchesters bezeichnet. Die Berliner Philharmoniker wurden lange für ihren vollen und seidenen Klang gerühmt. Und die Dresdner Staatskapelle? Ihr besonderer Orchesteratem wurde von Karajan einmal mit dem „Glanz vom alten Gold“ verglichen. Richard Wagner prägte hingegen vor nunmehr auch schon über 150 Jahren das Wort von der „Wunderharfe“. Bis heute taucht dieses Adelsprädikat über all da auf, wo die immerhin knapp fünf Jahrhunderte währende Geschichte dieses Traditionsorchester beleuchtet wird. Und natürlich ist auch die von Christian Thielemann geleitete Staatskapelle mächtig stolz darauf. Wobei Professor Michael Heinemann von der örtlichen Musikhochschule „Carl Maria von Weber“ anmerkt, dass es nicht wenige geben soll, die behaupten, „dass sich dieser Klang über die Jahrhunderte nicht verändert habe.“ Eine gewagte These, wie auch Heinemann findet: „Aber kann das überhaupt sein, wenn sich Spielweisen und auch die Instrumente ändern?“ Tatsächlich wird allein schon lange der Verlust der Identität einzelner Orchester beklagt, angesichts der immer größer werdenden Internationalisierung durch die Musiker, die aus allen Winkeln der Welt kommen.
Um aber wenigstens herauszufinden, wie lange die Dresdner Staatskapelle zu Recht als „Wunderharfe“ bezeichnet werden konnte, hat die Musikhochschule unter der Leitung von Heinemann ein besonderes Forschungsprojekt ins Leben gerufen. Ab Januar 2020 werden fünf junge Musikwissenschaftler all die historischen Partituren in den Archiven der Staatskapelle auf Anmerkungen zu Tempo, Verzierungen oder Artikulationen untersuchen, um so dem sich im Laufe der Jahrhunderte veränderten Klangbild auf die Spur zu kommen. „Wir wollen Klangforschung in historischem Sinne betreiben“, so Heinemann gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Und nicht zuletzt dürften auch entsprechende Konzertkritiken aus dem 19. Jahrhundert Auskunft darüber geben, was denn nun diesen schon fast mythischen „Wunderharfen“-Klang überhaupt ausgemacht hat.

Guido Fischer



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