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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

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am 04.05.2024



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Augustin Dumay, Klara Min, Nicolas Dautricourt, Lyda Chen-Argerich, Victor Julien-Laferrière (c) classicalbridgefestival

Classical Bridge Festival

Feine Töne und edle Tropfen

Das in einem Château bei Bordeaux veranstaltete Festival verbindet exzellente Kammermusik mit exquisitem Weingenuss.

Verführerisch duftet der Château Pape Clément, wenn man ihn ins Glas gießt. Der Rotwein ist ein typischer Bordeaux: kraftvoll, trocken und edel, voller mächtiger Tannine. Er ist das Vorzeigegewächs des Château Pape Clément, das knapp zehn Kilometer westlich vom Zentrum Bordeaux’ im Städtchen Pessac liegt. Das Weingut ist eines der größten und bekanntesten Châteaus im Umkreis der Weinstadt. Seinen Namen erhielt es von seinem ehemaligen Besitzer Bertrand de Got, der zunächst Kurienkardinal in Rom war und 1305 in Rom zum Papst gewählt wurde. Er vermachte das Gut dem Bistum, durch die Französische Revolution wurde es jedoch 1791 beschlagnahmt und an einen Bankier versteigert. In den folgenden Jahren ging es durch viele Hände, 1861 kaufte es ein Reeder aus Bordeaux, er ließ das Schloss erbauen.
Heute wird das Château vom 86-jährigen Bernard Magrez geleitet. Es ist das Flagschiff unter den über 40 Weingütern, die der Weinmagnat sein Eigen nennt. Das Herrenhaus, das heute auch ein Hotel ist, liegt in einen prächtigen Park eingebettet, in dem etwa 600 verschiedene Pflanzen- und Baumarten wachsen, darunter auch Palmen und Olivenbäume. Man kann sich dort zur Weinprobe anmelden und verschiedene edle Tropfen verkosten: vom bereits erwähnten klassischen Roten über den ebenfalls exzellenten Weißwein bis hin zum edelsüßen Sauternes. Neben den Gewächsen von Château Pape Clément stehen auch Weine aus anderen Gütern von Bernard Magrez zum Verkosten bereit.
Das herrliche Anwesen am Rand von Bordeaux hat auch Klara Min in ihren Bann gezogen. Die koreanische Pianistin war davon so begeistert, dass sie beschloss, dort ein Kammermusik-Festival zu veranstalten. Dieses soll ab 2022 jährlich wechselnd in Bordeaux und New York City stattfinden und das Musikleben auf beiden Seiten des Atlantiks bereichern. Dabei soll musikalisch eine transatlantische Brücke entstehen, weshalb Min ihm den Namen Classical Bridge Festival gab. Vom 22. bis 24. August 2022 wurden dieses Jahr im Château Pape Clément sechs Kammermusik-Konzerte veranstaltet, dabei gab es jeweils ein einstündiges Mittagskonzert um 12 Uhr sowie ein Abendkonzert um 19 Uhr.

Handverlesenes Künstler-Cuvée
Bei der Auswahl der Künstler setzte Min auf einen interessanten Mix aus großen Namen und hochtalentierten Nachwuchsmusikern. So fand sich etwa der große französische Geiger Augustin Dumay ein, der in Deutschland vor allem durch die Duoaufnahmen mit seiner Ex-Frau Maria João Pires bekannt geworden ist. Der mittlerweile 73-jährige Künstler wurde noch von Arthur Grumiaux unterrichtet und von Henryk Szeryng und Joseph Szigeti gefördert und bewies in Ludwig van Beethovens erster Violinsonate, die er mit Klara Min aufführte, dass er sein Instrument nach wie vor exzellent beherrscht und noch immer über diesen prächtigen goldenen Ton verfügt. Das kommt nicht von ungefähr: „Ich übe immer noch jeden Tag sechs Stunden Geige“, erzählt er. Er findet den Namen des Festivals sehr passend: „Dieses Festival bildet einerseits eine Brücke zwischen Musik und Wein, aber auch zwischen verschiedenen Künstlern aus verschiedenen Kulturen und verschiedenen Generationen.“
Der andere Weltstar, der sich in Pessac präsentierte, war Mischa Maisky. Er hatte ausgerechnet am heißesten Tag des Festivals, an dem das Thermometer nochmals auf schweißtreibende 37 Grad kletterte, seinen aktivsten Tag. Da spielte er mit opulentem Ton und russischer Seele Sergei Rachmaninows „Vocalise“, grandios unterstützt von seiner Tochter Lily am Flügel, und zeigte in Dmitri Schostakowitschs e-Moll-Klaviertrio, dass er nicht nur den vibratoseligen Schönklang beherrscht, sondern seinem Cello auch schroffe und kantige Töne zu entlocken weiß; dieses Stück war sicherlich einer der Höhepunkte des gesamten Festivals. Zu den weiteren herausragenden Künstlern in Pessac gehörten der französische Geiger Nicolas Dautricourt, der den vielfältigen Charakteren in Béla Bartóks erster Violinsonate mit bohrender Intensität nachspürte, die mit zart-romantischem Ton faszinierende Bratschistin Lyda Chen-Argerich sowie der einfühlsam und mit hoher Klangkultur begleitende koreanische Pianist Jae-Yeon Won. Auch der „Discovery Artist“ des diesjährigen Festivals JJ Bui präsentierte sich in einem Chopin-Recital trotz mancher Manierismen als großes Talent mit einer bravourösen Pianistik. Bleibt zu erwähnen, dass es sich lohnt, abseits des Festivals Bordeaux einen Besuch abzustatten. Die Altstadt ist seit 2007 UNESCO-Welterbe, die prächtige Place de la Bourse und die St. André-Kathedrale sollte man sich nicht entgehen lassen.

Weitere Infos:

www.classicalbridge.com

Mario-Felix Vogt, 17.09.2022, Online-Artikel



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