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In Tcherniakovs „Ring“-Deutung arbeitet Wotan im Labor (hier: Volle) (c) Monika Rittershaus
Finale Buh-Salven gegen Dmitri Tcherniakov überraschten nicht. Erst zum Ende der „Götterdämmerung“ wagt sich der Regisseur überhaupt vors Publikum. Lassen muss man ihm, dass er mit 13 aufwendigen Bühnenbildern wahrlich klotzt – und sich was überlegt hatte für diesen neuen, völlig überflüssigen „Ring des Nibelungen“ (geplant ursprünglich zum 80. Geburtstag von Daniel Barenboim, der seinen Wagner gesundheitsbedingt niederlegen musste). In einem Forschungsinstitut, genannt „E.S.C.H.E.“, forschen Wotan und, zwei Stockwerke tiefer, Alberich am Neuen Menschen. Einige Experimente, zum Beispiel mit Versuchsperson Fafner, enden tödlich. Die Leiche Siegfrieds wird am Ende von einer betretenen Kollegenschaft umstanden. Experiment gescheitert.
Etliches in diesem Konzept kriegt der arglose Besucher nie raus. Etwa dass der Ring hier als völlig wirkungslos angesehen wird. Warum dann, fragt man sich, der ganze Bohei von Seiten Brünnhildes?! Als Neue Frau geht sie am Ende einer hoffentlich besseren Zukunft entgegen (statt den Liebestod zu sterben). Das Publikum, kein Wunder, lehnt das ab. Denn merke: Je hochstufiger das Konzept, desto größer das Risiko, im Laufe einer Tetralogie damit fundamental baden zu gehen.
Christian Thielemann übernahm kurzfristig das Dirigat und nutzt seine Chance besonders in Gestalt einer gloriosen „Walküre“ (während vieles andere zu langsam läuft). Sagen wir es deutlich: So gut klang die Staatskapelle seit Otmar Suitners Zeiten nie. Andreas Schager ist ein unermüdlicher, wenig zartsinniger Siegfried. Anja Kampe findet Mozart-Töne in ihrer Brünnhilde, macht aber gegen Ende fast schlapp. Als Gewinner aller Klassen geht der finnische Bass Mika Kares (als Hagen, Fasolt und Hunding) aus dem Rennen hervor. Auch Vida Miknevičiūtė (Sieglinde und Freia) ist ausgezeichnet. Das Ergebnis liegt insgesamt weit oberhalb des vorangegangenen Stefan Herheim-„Rings“ an der Deutschen Oper. Und ist doch ... ein „Jahresring“ zu viel.
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