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N° 1355
27.04. - 04.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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Blick zurück und weit in die Zukunft: Sir Simon Rattle hat für seinen Antritt als Chefdirigent in München Joseph Haydns „Schöpfung“ gewählt © Astrid Ackermann/BR

Pasticcio

Los geht´s!

Sobald der Startschuss zu einer (hoffentlich) neuen Ära näher rückt, stellt man sich die Frage: Wie wird man sie wohl einläuten? Mit einem bunten oder dann doch lieber avancierten Programm? Oder ganz einfach mit Altbekanntem? Im Fall von Simon Rattle als neuem Chefdirigenten von Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks stand die Antwort seit Veröffentlichung der ersten, gemeinsamen Saisonbroschüre fest. Losgehen soll es mit Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ – auch mit den Top-Solisten Lucy Crowe (Sopran), Benjamin Bruns (Tenor) und Bariton Christian Gerhaher. Nun gut, könnte man munkeln und vielleicht auch ein wenig mosern: Muss es ausgerechnet so etwas doch gut Abgehangenes wie „Die Schöpfung“ sein, mit der man jetzt nicht nur den Münchner Herkulessaal bespielt, sondern am Sonntag (24. September) auch die Basilika Ottobeuren? Schließlich gilt Rattle ja auch als Freund und Fan der Moderne. Weshalb man zur Eröffnung der auf zunächst fünf Jahre angelegten Zusammenarbeit mit dem Münchner Radioorchester durchaus einen Kompositionsauftrag hätte vergeben können. Doch für Rattle ist Haydns „Schöpfung“ eben mehr als nur eine Publikumsbank. „In ihr steckt alles, die ganze Welt“, so der Engländer in seinem bekannten Überwältigsein-Ton. „Sie ist ein Blick zurück und weit in die Zukunft dessen, was Musik alles sein kann. Sie ist Gleichgewicht und Revolution zur selben Zeit, ein Stück Aufklärung.“
Was darüber hinaus noch für diese Programmwahl spricht, ist Rattles nicht hoch genug einzuschätzende Haydn-Verehrung. Denn während es immer noch Kollegen von ihm gibt, die den Österreicher als Leichtgewicht unter den drei Wiener Klassikern sehen, bekennt sich Rattle zu ihm mit Haut und mittlerweile weißem Lockenkopf. „Wenn ich es müsste und nur einen Komponisten mit auf diese ominöse einsame Insel nehmen dürfte, dann wäre es Haydn“. 2021 gab er das im Bayerischen Rundfunk zu Protokoll – um mit seiner Hymne fortzuführen: „Natürlich Haydn! Er hat alles, was man braucht in der Musik. Mehr Intelligenz als fast jeder andere Komponist. Es gibt alles bei ihm: Humor, Tragödie, Angst, Freude ... Was für ein unglaubliches Geschenk, dass es diesen Menschen gab! Je mehr man von ihm kennt, desto mehr Ehrfurcht empfindet man vor ihm.“
Einen ganzen Konzertabend lang, live und danach auch in der Mediathek des BR, gibt es also jetzt Haydn und seine „Schöpfung“. Und um all die anderen nicht zu enttäuschen, die auf die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts setzen, kombiniert Rattle dann bereits am 13. Oktober einen Neuen Musik-Klassiker mit einer Auftragskomposition – und zwar Luciano Berios „Coro“ mit Vito Žurajs „Automatones“.

Guido Fischer



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