home

N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



Startseite · Oper & Konzert · Da Capo

Katharine Mehrling (Roxie Hart) und Ruth Brauer-Kvam (Velma Kelly) (c) Barbara Braun

Da Capo

Berlin, Komische Oper – John Kander, Bob Fosse, Fred Ebb: „Chicago“

Bis das Strumpfband kracht

„Chicago“, das ist kein Straßenfeger. Das vielleicht letzte, ganz große Musical-Meisterwerk, uraufgeführt 1975, war in Berlin bei früheren Gelegenheiten nie voll (nicht mal, wenn Ute Lemper mitwirkte). Trotz Hits wie „All That Jazz“ und Köstlichkeiten wie „Bist du gut zu Mama, ist Mama gut zu dir“, kann sich die Geschichte über zwei Showgirls, die aus dem Knast heraus ihre Karriere planen, nicht mit dem anderen großen Hauptwerk von Kander & Ebb messen. Dieses andere Werk ist „Cabaret“.
Der erfolgsgebauchpinselte Barrie Kosky wollte es also wissen. Er hat mit Katharine Mehrling einen Berliner Cabaret-Star als Roxie Hart und in Ruth Brauer-Kvam einen Wiener Vollprofi als Velma Kelly engagiert. Adam Benzwi dirigiert das sehr versierte Orchester der Komischen Oper vielleicht einen Tick zu lahm. Vor allem will Kosky das Werk auf Biegen und Brechen als ein solches über die Macht des Sensationsjournalismus und der platzenden PR-­Blasen interpretieren. Tut man dies, so ignoriert man die Tatsache, dass Journalismus in Zeiten des Internets halb entmachtet ist – und jedenfalls heute anders funktioniert. Die Beziehung der beiden Bitches – und damit die Dynamik des Ganzen – gerät ins Hintertreffen.
So geht diese hochseriös gearbeitete Inszenierung zwar am Ende doch noch im Jubel eines jubelwilligen Publikums auf. Ist aber doch ein ziemliches Stück Arbeit. Größter Fehler: die deutsche Übersetzung. „Wir tanzen Jazz, bis das Strumpfband kracht“, das geht einfach heute nicht mehr. Am staunenswert Besten: Jörn-Felix Alt als ruchloser Anwalt Billy Flynn – der den Mädels, obwohl sie es krachen lassen, schlankerhand die Show stiehlt. Andreja Schneider kriegt das Kunststück hin, Mama Morton so androgyn anzulegen, als spiele ein Mann eine Frau, die ein Mann ist. Die Aufführung wird, wenn nur ein bisschen Tempo gemacht wird, gewiss noch wachsen. Und dank der Choreografien von Otto Pichler fast so gut werden wie Koskys „West Side Story“. Vorbuchung empfohlen.

Kai Luehrs-Kaiser, 02.12.2023, RONDO Ausgabe 6 / 2023



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Da Capo

Berlin, Staatsoper Unter den Linden: Mozarts „Die Zauberflöte“

Dass ein Opernhaus gleich zwei Inszenierungen der „Zauberflöte“ aktuell im Programm hält, […]
zum Artikel

Fanfare

Proben, Pleiten und Premieren: Höhepunkte in Oper und Konzert

Viel Spaß hatten wir in LONDON. Hier gibt es sogar nach einem musiklosen Zwischenspiel Beifall: Da […]
zum Artikel

Gefragt

Paavo Järvi

Familienbande

Mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen entschlackt der Dirigent seit über zehn Jahren das […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Das Klavierquartett c-Moll des 19-jährigen Strauss war ein Geniestreich, der sofort als solcher erkannt wurde. Komponiert 1883/84, zwischen der ersten Sinfonie und der „Burleske“ für Klavier und Orchester, gilt es als Höhepunkt der Auseinandersetzung mit Brahms und den Formen der klassisch-romantischen Instrumentalmusik.

Aus einer viel späteren Schaffensphase, nämlich den letzten Kriegsmonaten 1945, stammen die „Metamorphosen für 23 Solostreicher“. Zu jener Zeit arbeitete […] mehr


Abo

Top