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N° 1355
27.04. - 04.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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(c) Irène Zandel

William Youn

Musik wie ein Spätsommer-Wind

Auf seinem aktuellen Album präsentiert sich der Pianist mit französischen Raritäten aus der Belle Époque.

Bach, Mozart, Schubert. Eigentlich kennt man William Youn als Interpreten des deutschen Repertoires, insbesondere seine Gesamteinspielung von Mozarts Klaviersonaten fand große Beachtung. Was beim Betrachten seiner Diskografie allerdings auffällt, ist, dass er bis auf Schumanns Klavierkonzert und die beiden Chopin-Konzerte nur wenige Aufnahmen mit Orchester gemacht hat.
Sein aktuelles Album hingegen enthält überwiegend Stücke für Klavier und Orchester, außerdem präsentiert sich der koreanische Pianist hierauf erstmals mit einem rein französischen Programm. Für dieses hat Youn Raritäten der Belle Époque ausgewählt. Das nahezu unbekannte Klavierkonzert von Reynaldo Hahn beispielsweise, einem Komponisten, der dieses Jahr 150. Geburtstag hat. Er wurde als Sohn einer Venezolanerin spanisch-baskischer Abstammung und eines jüdischen Kaufmanns aus Hamburg in Caracas (Venezuela) geboren und lebte ab seinem siebten Lebensjahr in Paris.
Von Hahns Klavierkonzert sind nur zwei Aufnahmen bekannt, dabei basiert die erste Aufnahme von 1937 auf einer gekürzten Fassung. Somit präsentiert William Youn erst die zweite vollständige Einspielung des Stücks. „Es ist ein sehr virtuoses Stück, und es erfordert das Jeu perlé“, erklärt der Pianist, also das leichte, perlende Spiel. Viel bekannter als das Klavierkonzert sind jedoch Hahns Lieder. Zwei davon, „À Chloris“ und „L’heure exquise“, hat William Youn selbst für Klavier solo bearbeitet und mit viel Poesie und zarten Farben interpretiert. Über Hahns Musik formuliert der Pianist folgendes: „Sie ist wie ein Spätsommer-Wind, der erfrischt und zugleich an das Ende einer schönen Zeit gemahnt.“ Eine weitere zentrale Figur unter den Komponisten des Fin de siècle war auch Reynaldo Hahns Lehrer Gabriel Fauré. Dessen Todestag jährt sich 2024 zum 100. Mal, von ihm nahm Youn deshalb gleich drei Werke auf das Album. Zum einen die Ballade op. 19, die ausgerechnet Franz Liszt als „unspielbar“ bezeichnete (auch Youn betont, dass sich das Stück „leicht anhört, aber sehr schwer ist, vor allem wegen der kontrapunktischen Struktur“), die Fantaisie op. 111 für Klavier und Orchester sowie das berühmte Lied „Après un rêve“ („Nach einem Traum“), von dem Youn eine Klavierfassung schuf.
Eine wichtige Schülerin von Fauré war auch Nadia Boulanger, die vor allem als Pädagogin einen legendären Ruf genoss. Sie schrieb eine „Fantaisie variée“ für Klavier und Orchester, die Einflüsse der deutschen und französischen Spätromantik von César Franck und Wagner zeigt, jedoch auch schon auf Igor Strawinski hinweist. Bei Youns Aufnahme der „Fantaisie“ handelt es sich um die Weltersteinspielung des vollständigen Werks: „70 Takte des Stücks sind neu entdeckt worden“, erklärt Youn. Auch dieses Werk spielt er farbenreich und elegant, vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Valentin Uryupin feinsinnig begleitet. Wir dürfen gespannt sein, ob er in Zukunft weitere französische Werke einspielen wird. Es wäre absolut wünschenswert.

Neu erschienen:

„Boulanger, Fauré, Hahn“ (Klavierwerke)

William Youn, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Valentin Uryupin

Sony

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Mario-Felix Vogt, 10.02.2024, RONDO Ausgabe 1 / 2024



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