Der australische Importdienst des britischen Traditionslabels funktioniert zuverlässig, und so ist diese höchst begrüßenswerte Raritätenzusammenstellung der findigen Archiv-Jungs von Down Under für deren immer wieder köstliche Katalogentdeckungen machen lassendes Zweitverwertungslabel auch hierzulande leicht zu bekommen. Schon seltsam, dass ein einst so wichtiger Dirigent wie Clemens Krauss (1893–1954) heute schon wieder virtuell entstaubt werden muss. Gut, er war ein mieser Nazimitläufer, wie auch sein großes Idol Richard Strauss, den er so generös interpretierte wie Furtwängler, Karajan oder Böhm – mit denen er an Bedeutung durchaus mithalten konnte. Das offenbaren, die fein tongereinigten 16 CDs mit seinem kompletten Erbe seines Labels. Das freilich in wenigen Jahren nach der Entnazifizierung 1947 bis zum allzu frühen Tod in Mexico City eingespielt werden musste. Der Kern ist – Wagner fehlt da etwa fast ganz – Strauss und Strauß: mustergültige Monoaufnahmen der Tondichtungen, meist mit den Wiener Philharmonikern, eine bedeutende „Salome“ mit Christel Goltz und Hans Braun, die erste und bis heute unsterbliche, weil so wienerische LP-„Die Fledermaus“, wo Krauss eigentlich nur für Joseph Krips einsprang; dazu kommen der komplette „Zigeunerbaron“ sowie natürlich die drei einstigen LPs mit Walzern und Polkas der Strauß-Familie unter dem „Erfinder“ des Neujahrskonzerts, philharmonisch g’schlampert, mit Witz und Sentiment. Ergänzt wird dieses Klangkonvolut durch Beethoven-Ouvertüren sowie drei majestätische Klavierkonzerte mit Wilhelm Backhaus, Brahms’ Altrhapsodie mit der pastosen Kathleen Ferrier, Akademische Festouvertüre und die Haydn-Variationen. Und eine Arien-Schnipsel-CD erinnert würdig an den tollen Opernchef Krauss.

Matthias Siehler, 25.06.2022

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